Themenstrang: »Forschung«

Referent_innen: Banafsche Sayyad, Sören Krach

Tag/Zeit: Samstag, 15.9.2018, 10:00–12:00 Uhr

Über die Rückkehr von Rasse-Konzepten und die Reproduktion stereotyper Geschlechtervorstellungen in den kognitiven Neurowissenschaften

Weltweit wird an immer mehr (auch zunehmend psychiatrischen) Einrichtungen innerhalb der relativ jungen Disziplin „Cultural Neuroscience“ (CNS) geforscht, seit einigen Jahren auch in Deutschland. Dabei werden Fragestellungen generiert und Aussagen getroffen, die nachzeichnen sollen, wie sich „kulturelle“ Phänomene, Erfahrungen und Mechanismen der Interaktion von „Kulturen“ im menschlichen Gehirn mit Techniken der funktionellen Bildgebung abbilden lassen. Dabei lassen sich zwei Forschungslinien unterscheiden, die im Vortrag herausgearbeitet werden sollen: Während eine Linie das Ziel verfolgt, „kulturelle Differenzen“ herauszuarbeiten, untersucht die andere Linie innerhalb der CNS „universelle biologische Mechanismen“ im Verhalten gegenüber „fremden Kulturen oder Gruppen“ und „kulturelles Abgrenzungsverhalten“. Beide Stränge von Studien operieren mit Kulturbegriffen, die weder definiert noch reflektiert werden. Stattdessen wird auf Biologie und Abstammung als Bezugsgrößen für „Kultur“ rekurriert.

Neben dem Bereich der CNS-Forschung stellen wir das florierende Forschungsfeld der „Sex/Gender-Neurosciences“ vor, welches sich anfänglich in den 90er Jahren in den kognitiven Neurowissenschaften herausgebildet hat. Hier werden bis in die Gegenwart Fragen nach „Geschlecht“ und „Sexualität“ ebenfalls anhand von Techniken der funktionellen Bildgebung intensiv untersucht. Dabei zeigt sich, dass in einer Vielzahl dieser Studien auf geschlechterstereotype Vorstellungen zurückgegriffen wird, u.a. bei der Generierung von Hypothesen oder bei der Interpretation der Forschungsergebnisse. Unhinterfragt schwingt darin auch häufig die Vorstellung von biologischer Zweigeschlechtlichkeit und einer heterosexuellen Norm mit.

Die Herausarbeitung von stereotypen und biologisierenden Argumentationen ist von großer Relevanz, da die Erforschung von „Kultur“ und „Geschlecht“ enorme Bedeutung für Fragestellungen der psychologisch/psychiatrischen Neurowissenschaften hat, woraus sich wiederum Konsequenzen für die Gesellschaft ergeben. Dieser Looping Effekt weist darauf hin, dass naturwissenschaftlich-medizinische Erkenntnisse immer auf den gesellschaftlichen Kontext zurückwirken, aus dem sie stammen und vice versa. In unserem Vortrag möchten wir diese Argumentationsstränge näher vorstellen und die Grundannahmen dieser Forschungsstudien beleuchten und problematisieren.

Ferienuni Kritische Psychologie 2018 using Theme Adventure by Eric Schwarz adapted by Stefan Meretz
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