Themenstrang: »Gesellschaft«
Referent_in: Athanasios Marvakis
Tag/Zeit: Mittwoch, 12.9.2018, 13:00–15:00 Uhr
Neoliberal Framing of Psychology
Moderation: Grete Erckmann
In unserer Übergangsepoche ist der historische Klassenkompromiss des Fordismus „von oben“ aufgekündigt und ein neues gesellschaftliches Modell soll durchgedrückt werden: „Neoliberalismus“. Auch dieser fordert/ermöglicht bestimmte Subjektivitätsformen, Konfigurationen der Subjektivität und historische Normalitätsmatrizen. Die Psychologie des 20. Jh. war behilflich, die Produktivkraft Individualität für den Fordismus zu entwickeln und zu benutzen. Der Neoliberalismus beinhaltet andere (Normalitäts)Anforderungen und Subjektivitätsformen. Fordistische Sozialwissenschaften homogenisieren (kontrollieren und helfen) Menschen entlang bestimmter sozialer Muster: der durchschnittliche Arbeiter, der durchschnittliche Sex ist/war die erfüllende Norm. Neoliberalismus hat Homogenität nicht (so) nötig. Er „operiert“ mit Differentialität: jeder kann (und muss) individuell (!) seine Verwertbarkeit nachweisen – individuelle „Eigenheiten“ können der Verwertbarkeit eventuell gut dienen.
Für den Neoliberalismus „riechen“ Kollektive nach Homogenität. Und hier ist auch die Falle: was Kritik an fordistischer Psychologie monierte, lief darauf hinaus, Homogenität in Frage zu stellen – und Individualität herauszustellen. Homogenität ist jedoch nicht nur Normunterwerfung. Sie verspricht gleichzeitig sozialen Schutz. Diese Dialektik von Homogenität und Schutz(versprechen) zwingt die Kritik, ihre „Relevanz“ zu historisieren, auf dass ihr Stachel gegen (fordistische) Homogenität nicht zu einer Stricknadel für (neoliberale) Differentialität wird.
Ungleichzeitigkeiten und Dynamik in unseren Gesellschaften haben wir noch gar nicht mitbedacht: Weder Fordismus noch Neoliberalismus waren/sind überall und für alle Dasselbe. Es gab nie (nur) eine einzige Arbeits-, Lebens- und Begehrensweise mit denselben Möglichkeiten und Behinderungen – weder inner-gesellschaftlich, noch inter-national. Es gibt Strukturwidersprüche (Klasse, Geschlecht, „Rasse“, …) deren Verhältnisse zueinander Gesellschaftlichkeit prägen. Von der Auseinandersetzung mit diesen hängt die jeweilige geo-politisch besondere Psychologie ab: als „Gegenstand“, akademische Disziplin oder berufliche Tätigkeit.