Themenstrang: »Gesellschaft«
Referent_in: Simon Sutterlütti
Tag/Zeit: Mittwoch, 12.9.2018, 13:00–15:00 Uhr
Eine kritisch-psychologische Untersuchung unserer Beziehungen
Das Streben nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit scheint eine alltägliche Sache in unserer Gesellschaft zu sein. Es gilt als Ziel der Selbstentwicklung und wird als Grundlage von Beziehungen gesehen: Erst wer allein klar kommt, gilt überhaupt erst fähig, mit anderen Personen erfüllende Beziehungen einzugehen. Diese Normalität ist jedoch eine gesellschaftliche Normalität. Im Kapitalismus ist es normal getrennt zu sein, normal, dass die „eigenen Lebensinteressen durch die Interessen anderer eingeschränkt sind“ (Holzkamp). Diese Situation macht soziale Beziehungen tendenziell zu Beziehungen der Instrumentalität. Wir nutzen uns gegenseitig, bleiben einander Objekte.
Der Vortrag will nun Unabhängigkeit als ein Teil von Instrumentalität untersuchen. Um vor dem Zugriff der anderen sicher zu sein und die anderen austauschbar zu halten, wird Unabhängigkeit zur Reaktionsweise auf eine Gesellschaft, in der Abhängigkeit und Bedürftigkeit meist Verletzung und Gewalt bedeutet. Mit dieser Unabhängigkeit beschneidet sich aber das instrumentalisierende Subjekt selbst: Die eigenen Bedürfnissen treten nur isoliert auf. Diese psychologisch-gesellschaftliche Konstellation versucht der Vortrag anhand von Versatzstücken herrschender Selbsttechnologien in Lebensratgebern, der Theorie instrumenteller Beziehungen von Holzkamp und persönlichen Erfahrungen aus Kollektiver Selbstverständigung zu analysieren.
Abschließend sollen utopische Fluchtlinien jenseits der Unabhängigkeitsideologie vorgestellt werden. Organisatorisch soll der 40minütige Vortrag Thesen und Versuche, die Unabhängigkeitsideologie zu begreifen, darstellen. Dies ist keine fertige Theorie. Der Vortrag soll eher einen Diskussionsraum zu Instrumentalität, Unabhängigkeitsstreben und Alltag schaffen, der dann die restlichen Zeit workshopartig genutzt werden kann.