»Emanzipatorisch relevant wäre psychologische Forschung«, so Holzkamp (1970) »insofern sie zur Selbstaufklärung des Menschen über seine gesellschaftlichen und sozialen Abhängigkeiten beiträgt und so die Voraussetzungen dafür schaffen hilft, dass der Mensch durch Lösung von diesen Abhängigkeiten seine Lage verbessern kann.« Kritische Psychologie ist für ihn die »Lehre von den sekundären Abhängigkeiten«, die sich Menschen anders als die »faktischen historisch-ökonomischen Bedingungen« zur Vereinfachung der Angstvermeidung und Spannungsreduktion selbst schaffen. International haben sich einige kritisch inspirierte Psychotherapien etabliert, die für sich beanspruchen, soziale und gesellschaftliche Abhängigkeiten so zu thematisieren, sodass sich Menschen selbst ermächtigen können. Beim genaueren Hinsehen trägt diese Art des therapeutischen Empowerments jedoch ungewollt zu einer Psychologisierung und Therapeutisierung bei. Eine materialistische Psychotherapie muss, orientiert an den Bedürfnissen und Fähigkeiten derjenigen Menschen, die sich mit Problemen an Therapeut/innen wenden, vor allem zwei Fehler vermeiden: Sie sollte weder versuchen, Klient/innen vordergründig zu politisieren und illusionäre Vorstellungen von individueller Handlungsfähigkeit verstärken noch sich auf eine bloß abstrakte Kritik an Herrschaftsverhältnissen zurückziehen, die das Hilflosigkeitserleben verdoppelt. Deshalb brauchen wir neue Antworten darauf, was eine emanzipatorisch intendierte Psychotherapie leisten kann (und was nicht) und welche Rolle materialistische Gesellschaftstheorien dabei konkret spielen.